Zehnt
VI, Heft 5,6,7
Frankfurt a.d. Oder II
S. 29
Desto mehr
Hugenottenbewußtsein hatten die Du
Port´s. Aufgrund
des Rescripts vom 8. October 1739 fordert der Juge
Pierre Philippe Du Port, welchen wir
bald näher kennen lernen werden, die Stelle als
Senator ordinarius mit Sitz und Stimme im Rath der
Stadt umso lauter, seitdem der Kriegsrath Groote, vom
König mit
der Untersuchung betraut über die Stellung der
französischen
Richter in den deutschen Magistraten (20. April 1775),
constatirt, daß Du Port nur
als supernumerarius geführt wird. Am 23. August
und wieder am 12. September 1775 befiehlt Friedrich
der Große, den Du Port zu introducieren,
doch ohne Gehalt.Bei allen vorkommenden Polizei-, Servis-,
Feuer-, Societäts- u.a. Kollektensachen, wenn
solchen die ganze Kolonie oder einzelne Mitglieder
angehen, habe Duport sein Votum abzugeben;
bei allen anderen vorfallenden Geschäften aber,
besonders bei anzustellenden Wahlen, sich des Voti
zu enthalten. Nun konnte ja Duport nicht
leugnen, daß er in Polizeisachen, auch als Besitzer
des Tabackspinner - Gewerks beständig zu Rathhaus
erscheinen sei, auch ohne Introduktion. Überdies
beschwert der Magistrat, daß der Juge zum Schaden
gemeiner Bürgerschaft die Rechte der Kolonie
und deren einzelner Mitgleider weiter zu extendiren suche,
als gebühret. Auch habe Du Port zwei
Verwandte im Collegio, was verboten sei: hätten doch
Sekretair Müller und Senator Baerenreuth, Sohn des
Bürgermeisters,
die Töchter von Du Ports Schwester
geheiratet. Ferner drohe die Schwatzhaftigkeit des Franzosen
das Amtsgeheimnis zu verletzen. Am 16. November 1775 wiederholt
Friedrich der Große den Einführungsbefehl zum
dritten Male. Es gescheiht nichts. Wieder vergehen zwei
Jahre. Am 7. August 1777 heißt es, binnen acht Tagen
müsse die
Einführung geschehen sein. Die acht Tage vergehen
und noch ein Jahr dazu. Auf Du Ports Beschwerde
erscheint Kriegsrath Gutschmidt als Commissarius loci
(19.September 1778). Am Vorabend des Termins weigert sich
der Bürgermeister, die Sammlung zu berufen. Gutschmidt
zeigt ihm die bündigen Befehle für solchen Fall.
Nunmehr stellt der Bürgermeister die Eidesformel
so daß Du
Port, dem sie vorher zugeschickt ist, sie nicht
annehmen kann. Er erscheint nicht. Und wieder vergeht
ein Jahr. Endlich 1779, Jahre nach dem königlichen
Order, findet der Akt statt.
Doch noch immer galt Du Port nicht
für voll. Buschholz wird ihm entzogen, daß doch allen
anderen Senatoren zufließe, auch die Freibillets zu den
Komödien, die doch Döblin täglich für die Rathsmitglieder
geben muß. Diese zurückversetzung betrachtet der 1779
eingeführte Senator Du Port als
so verletzend, daß er noch 1791 darüber bei der Oberbehörde
Beschwerde führte; worauf der Magistrat erwiedert, DuPort sei
ja ohne Gehalt und ohne Emolumente angestellt. Interessanter
ist, daß der so "verabscheute" Hugenott der Stadt als
Rathsmitgleid sich sehr nützlich erwiesen hat, gerade,
wenn auch nicht in dem Maße, wie der "verabscheute" Pericard.
Sobald ihn der Magistrat für das Hospital zum Heiligen
Geist in der Gubener Vorstadt deputirt hat, überzeugt
sich Du Port von der kläglichen Verpflegung
der Insassen. So nimmt er denn gleich 1782 eine gründliche
Reform vor, dahin, daß die alten Leute reichlich bedacht
werden. Um aber den zahlreichen verschämten Armen - die
Pauvres honteux sind die Lieblinge der Hugenotten - ein
Unterkommen zu verschaffen, läßt er 1787 von der in der
Bank "gelegten" Kapitalien ein neues Haus bauen mit Wohnungen
vorn für 16 und in beiden Seitenflügeln für acht verschämte
Arme: eine Einrichtung, durch die er sich auf Jahhrhunderte
um die Stadt Frankfurt wohlverdient gemacht hat.
Abschrift aus:
Das
Bürgerrecht der Hugenotten zu
Frankfurt a. d. Oder
S.
45 Das französische Gericht
Nachdem
de Colomb verstorben, wurde Pierre
Philippe Du Port früher Juge in Oranienburg,
zum französischen Richter von Frankfurt bestellt
(16. Februar 1768). Am selbigen Tage entband der
König den Syndicus Friedel von der bisher gehabten
Interims-Verwaltung (sic) der Frankfurter Kolonie
"mit gnädigst Bezeigung Unserer Zufriedenheit." Das
Schlimme war, daß Du Port nicht
zu seinen Akten kommen konnte. Denn Friedel lieferte
diejenigen, dien er in Händen hatte, nicht aus
wegen Mangel an Zeit. Professor Causse wartete erst
auf eine königliche Anweisung. Und der dritte
Teil der französischen Akten lagerte bei mden
Greffier Rive, der zugleich Mitglied des Deutschen
Magistrats war. Noch Anfang November 1770 klagte Du
Port dem
Pastor Hugo, er könne für sein Geld keine
Gesetzsammlung anschaffen. Wenn der König sie
dem Gericht nicht schenke, wie er gebeten, wisse
er nicht, was da werden solle. Dennoch eilte die
Behörde nicht mit dem
Geschenk. Und noch am 25 November 1774 muß Du
Port seine Bitte um die Collection des Edits
de chaque année und um Mylius, Corpus Constitutionum
Marchicarum nebst Supplement, erneuern.
Pierre Philippe Du Port, Seigneur
de Mouillepied et de Boismasson, ein Verwandter der
Frau v. Spanheim, Sohn des Jaques Du Port, des
Conseiller et Secretaire du Roi in Berlin, und Neffe
der beiden hiesigen Kaufleute Jean Pierre und Nephtali
Du Port, war, als er sich am 19. Dezember
1762 mit Marie Esther Touzat aus Surinam
hierorts verheiratete, ja noch als er am 4. Oktober
1763 sein erstes Kind zur Taufe brachte, Kaufmann.Doch
auch der Juge Etienne Cardel und die Grffers Claude
und Micqueau waren von Beruf Kaufleute gewesen und
hatten die besten Gerichtsbeamte angegeben. Jedenfalls
kannten sie die Ordonance francaise vom 14. April 1699,
nach der die Réfugiés gerichtet wurden,
besser als die studierten Richter der Deutschen. Hugenott
vom Kopf bis zur Zehe, gewahrte er, daß unter Cardel
fils, Colomb und Friedel ein große Unordnung bei den
französischen Gerichten eingerissen war. Man hatte
z.B. vergessen den Waisen Vormünder zu bestellen, die
früher bestellten vorzuladen, ihnen die Rechnungen
anzunehmen, die Waisengelder auf dem Gericht zu deponieren.
Oder aber die Richter entschädigten sich eigenmächtig
aus Waisengeldern, wie z.B. Cardel fils mit 700 Tlr.
auf Grund eines privaten Wechsels.
Daraus entstanden
unendliche Prozesse, wie z.B. der von Antoine Coffrier´s Erben, gegen ihre
drei Vormünder, resp. deren Erben: Phil. Freseau confiturier
Antoine Couriol und Ch. G. Prochnow: ein Prozess, beginnend
mit dem 27. Januar 1777, in welchem das französische
Obergericht entschiede, die Vormünder sollen sich schadlos
halten an den Richtern Paul Cardel, de Colomb und Friedel,
resp. an deren Erben (25. Januar 1780 und 8. Januar
1781) der Großkanzler von Cramer aber, auf der Vormünder
erneute Beschwerde und in Erwägung, daß der ganze Prozess
größtenteils durch die Nachlässigkeit und Unordnung
der vormaligen Richter Cardel und Colomb veranlaßt
sei, die Gerichtsgebühren bis auf die Barauslagen
niederzuschlagen befahl (2. und 4. Juni 1783).
Auch andere
Unordnungen datiren aus der älteren Zeit. So hat Kaufmann Jean Francois La
SAle seit Martini 1749 bis Martini 1763 zwei Gewölbe
und eine Stube seines Hauses zu 54 Thlr. an den Berliner
Schutzjuden David Salomon und Cons. vermietet. Es ist
die Zeit des Jammergeldes. Kein Wunder, daß man über
die Münzsorten, in denen der Miethsschilling zu entrichten
sei, ob in altem Gold oder märkischeCourant, in Streit
gerieth. Als Salomon zur Margarethenmesse wiederkam,
weigerte sich La Sale die Gewölbe und die Stube aufzuschließen,
auch nachdem es ihm das französische Gericht befohlen
hatte. Man schickte den Gerichtsdiener mit einem Schlosser,
alles aufzubrechen. La Sale schimpfte auf den Richter
und den Assessor Rive und wandte sich an den Komandeur
der Garnison, Major v. Bornstedt. Dieser sandte einen
Unteroffizier mit zwei Mann, welche den Gerichtsdiener
an der Ausführung hinderten. Als der Juge sich beim
Major schriftlich beschwerte, weigerte der sich,die
Wache zurückzuziehen mit den Worten:"Diese Sache ist
eine Betrügerei". Darüber beschwerte sich Cardel fils
am 11. Juli 1761: auch habe er den La Sale zum Schadenersatz
von 15 Thlr. gegen Salomon verurteil. Als die verwittwete
Frau Mailette de Buy, geb. Bernard zu Gunsten der Kindeskinder
ihrer drei Kinder im Testament ein Fideicommis errichtet,
das Geld jedoch bei dem Bürger Simon in Frankfurt
sehr unsicher steht, trotz mehrfacher Mahnung aber
der Advocat Darrest das Geld dem Richter Du Port auszuantworten
nichts vornimmt, auch die im Testament stipulierten
Erziehungsgelder vier Jahre lang weder dem Lieutnant
Maillette de Buy in Holland schickt, noch den Töchtermännern
de Rocheford und Diako Baltasar Samuel Beuthner zu
Dramburg, wird letzterer auf seine Beschwerde beim
Großkanzler Staatsminister Baron von Fürst an das französische
Gericht verwiesen (2. august 1771). Als hingegen die
minorene Ehefrau des aus Stettin entwichenen Offizeirs
Roon, Friederike, am 15. April 1796 und 16. Mai 1799
klagt, ihr Vormund, der Juge Peter Philippe
Du Port lege, trotz der ihm angedrohten
Ordnungsstrafe, seit Jahren nicht die vorgeschriebene
Rechnung über
ihr Vermögen beim kurmärkischen Pupillen-Collegium
in Berlin, befiehlt der Minister, die Strafe gegen Du
Port zu vollstrecken und ihn zu seiner
Schuldigkeit anzuhalten 20. Mai 1799).
Allerdings kam
ja im Lauf der Jahre dem alternden Du Port ein
Amt nach dem anderen auf den Hals. Am 14. März 1768 wurde
er im Nebenamt Juge zu Müncheberg mit einem Senatorgehalt
von 20 Thlr. jährlich. Dafür muß er
an die Königl.
Kanzlerkasse 16 Thlr. 16 Gr. zahlen; für Expedition
verschiedener Reskripte und behördliche Briefe
andere 14 Thlr. 5 Gr., also über 30 Thlr. das Senatorengehalt
jedoch bekommt er nicht, wie 9. September 1772 das
General.Directorium feststellt; da ein anderer zum
Senator gewählt ist. Du Port bleibt
also für die Müncheberger Judikatur auf die
Emolumente angewiesen, falls überhaupt dort etwas
vorkommt; verpflichtet aber wird er, alle vierteljahr
wenigstens einmal hinüber
zu Reisen, nötigenfalls öfters. Du
Port klagt sich das Gehalt ein und 1783
erhält
er die 20 Thlr., weil er den darum angestrengten Prozess
gewann. Da aber meist nichts vorkam und die Reisekosten
weggeworfen waren, erschien er später nur selten,
z.B. 1797 innerhalb 1 1/2 Jahren nur zwei Mal. Und
was konnten die Müncheberger Kolonisten auch bezahlen?
Sie sind doch "fast alle arm und erwerben kaum den
Lebensunterhalt." Ähnlich wie mit Müncheberg und dem
Filial Fürstenwalde, erging es Du Port mit
dem Frankfurter Sekretariat. Seit Februar 1770
war die Stelle des Greffier vakant. Richter Du
Port versah sie und bat am 25. November
1774 als Greffier fungiere, auch aus seiner Tasche
einen Aktenschrank, Gerichtsbücher u. a. habe
anschaffen müssen: Ein Gesuch, das ihm am 14.
December abgeschlagen wird.
Als am
19. September 1778 Du
Port mit dem Titel Senator ordinarius
in den deutschen Magistrat eingeführt werden
soll, muß er dafür 25 Thlr. 11 Gr. 6 Pf. zahlen.
Seine Bitte, ihm diese Gebühre zu erlassen,
da mit der Stelle kein Gehalt verbunden sei,
befühwortet das Consistoire supérieure:
immerhin muß er dafür 7 Thlr. 11 Gr. 6 Pf. als Kanzleigebühr
entrichten (11. November 1778).
Der einzige
Vorteil, der dem 60 jährigen Juge zufloß, ist daß
am 29.Juli 1796 Accessor Zocho, der aber kein Französisch
versteht, ihm zur Seite gestellt wird. Desto
strenger werden aber nun seine eigenen Pflichtversäumnisse
gerügt. Auch wird ihm wegen seiner Krankheit
ein visitator, Obergerichtsrat Andresse aus
Berlin auf den Hals geschickt. Der erwirkt
ihm aber 25. October 1798 neue Erleichterung
durch einen zweiten Assessor in der -erson
des Acciseinspektor Peltret (16. September
1799), der für die 30 Thlr. Jahresgehalt
10 Thlr. an die General-Chargen-Kasse zahlen mußte;
ferner die Zusammenlegung der kleinen Gerichtskassen
von Frankfurt und Müncheberg, - hier lagen
2731 Thlr., dort 897 Thlr. in deposito -
für deren Verwaltung Zocho 150 Thlr. , Bürgermeister
Behm aber 50 Thlr. Kaution zahlen sollten,
eine Auflage, die ihnen jedoch durch den
Großkanzler Goldbeck erlassen wurde (23. October
1804). Auch wird auf königl. Kosten ein Geldschrank
für das Gericht, ein eiserner Koffer, neue
Hypotekenformulare angeschafft, auch endliuch,
kurz vor der Auflösung der Kolonie, ein Gerichtsbote
angestellt. Doch muß Du
Port für die ihm unangenehme visitation
13 Thlr. 18 Gr. zahlen und wegen zwei verschleppungen
5 Thlr. und 10 Thlr.
e mehr Du Ports Krankheit
und Altersschwäche überhand nehmen und je
härtere Beurteilungen er in Berlin findet,
desto schwerer fällt ihm nun sein Amt. In
einem merkwürdigen Briefe an Pastor Hugo
vom 12. August 1805 schildert Du
Port, 69
jährig, sich, ohne es zu wollen, als ein
Muster von Konfusion: war doch schon 1782
in einem vielverbreiteten Libell der Juge
ebenso hart mitgenommen worden, als die
Pastoren. Am 22. Mai 1799 legt er in die
Hände des Presbyteriums sein Schatzmeisteramt,
1803 in die Hände des Königs sein Richteramt
nieder, nur das Presbyteramt behaltend.
Doch fungierte er schon einige Jahre früher
nicht mehr als Juge. Bei den Unterschriften
der Justice royale francaise bleibt damals
die erste Stelle frei; die zweite nimmt
der Universitäts-Quästor Carl Friedrich
Zocho als Greffier et Assesseur francaise
ein; die dritte anfangs Peltret und als
dieser 11.November 1807 verstarb, der Steuerkontrolleur
Pierre Chrétien
Lagran (gest. 1814). Vier Jahre nach Esthere
Touzet, seiner Surinamer Gemahlin,
starb auch der Juge et Directeur Du
Port in
seinem 73. Lebensjahr an Altersschwäche
am 14. October 1809. Er war hier der letzte
Vertreter hugenottischer Gerichtsbarkeit
im alten Stil.
Leider gehörte
auch zum alten Stil, daß die Berichte an den Hof
nicht ehrlich gehalten waren, ja, nach Ansicht
mancher Beamten nicht ehrlich sein durften.
Denn der König Friedrich II war sehr
streng. Für Population und Kolonisation begeistert,
forderte er, daß seine Kolonien gedeihen.
Deshalb hatten auch die Juges der französischen
Kolonien Preußens Ende jeden Jahres zu
berichten über den Wohlstand der Gemeinden. Sie wußten,
daß, wenn sie kläglich berichteten, die
Behörde an der Haltbarkeit der betr. Kolonie irre
wurde und verzweifelte. Und dann schadeten
sie sich selbst, als die eidlich für
den Wohlstand und das Gedeihen ihrer Kolonie
verpflichteten, zogen sich gar harte
Rügen zu, oder, bei öfterer Wiederholung, die Absetzung.
Dieser Zwangslage unterwarf sich natürlich
auch Du
Port. Nach dem 1745 vorgeschriebenen
Formular berichtet er immer wieder ins
schöne malend: Etat médiocre, état
passablement médocre, bisweilen mit dem Zusatz:
chacun vivant doucement de ses mains, oder: les uns
vivant doucement de leurs pensions (Gehalt), les autres
etc. Erst 1799 angesichts seines nahen Todes wagt er
sich heraus mit der Wahrheit über die Frankfurter Kolonisten:
ils se trouvent tous dans un état de pauvreté.
Dennoch sollte diese armselige Kolonie
nach Du
Port´s Tode noch einen
Richter haben.